Der Kämmerer
Apostelgeschichte 8,26-39
Was erfahren wir über diesen Mann? - Wir kennen seinen Namen nicht aber wir wissen:
Er war Finanzminister der "Kandake" oder "Kandace". Das war ein Titel der Königinnen von Nubien, dem Land am Nil, das vom ersten Katarakt bis in die Umgebung von Khartum reichte.
Er genoss hohes Ansehen, war auch gewiss reich.
Er war gebildet (er konnte sogar hebräisch lesen).
Er war ein Eunuch (kastrierter Mann). Diese waren nach dem mosaischen Gesetz ernsthaften religiösen Benachteiligungen ausgesetzt (5. Mose 23,1; 3. Mose 22,23-25).
Er war anscheinend ein Proselyt, ein Heide, der zum Judentum übergetreten war und hatte eine Pilgerreise nach Jerusalem gemacht, um anzubeten. Er hatte ein tiefes Verlangen nach einer Begegnung mit Gott.
Jetzt befand er sich auf dem Heimweg.
Wir wollen in diese altbekannte Geschichte neu hinein lauschen, denn sie hat uns noch immer viel zu sagen.
1. Ein Suchender lässt sich finden.
Apostelgeschichte 8,26-29 - Eigentlich war der Mann zu beneiden. Er besaß vieles, was die meisten Zeitgenossen heute mit großer Intensität suchen: Er war reich, angesehen, hatte Karriere gemacht, war gebildet (er konnte lesen). Dennoch war er ein Suchender.
Woran können wir erkennen, dass er ein Suchender war? - Pilgerfahrt. Er erhoffte vom Besuch dieses besonderen Ortes eine Stärkung seines Glaubens.
Eines Tages hatte er es sich endlich doch eingestehen müssen. Alles, was über Jahre hin Ziel seiner Wünsche, seines Arbeitens und seines Bemühens war, hatte den Durst seiner Seele nicht zu stillen vermocht. In nichts von all dem was er besaß, hatte er innere Gelassenheit, Frieden und Glück gefunden.
Bist du ebenfalls solch ein Suchender? Verspürst du auch solch ein brennendes Vakuum in deinem Inneren? Auch du meintest, der Durst deiner Seele würde gestillt werden, wenn du endlich DIE Musikanlage, DEN Job, DAS Auto, DEN Freund, DAS Gehalt, DIE Partnerin fürs Leben, DAS Haus...hättest. Aber jetzt, wo dir dein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen ist, merkst du, dass deine Seele immer noch nach echtem Lebenswasser schreit.
Der Herr Minister meinte, eine Pilgerfahrt könne da vielleicht Abhilfe schaffen. Welche Strapazen war er bereit, auf sich zu nehmen! Welche Opfer war er bereit zu bringen! Er ließ sich die Sache mit Gott etwas kosten. Erstaunlich und anerkennenswert.
Wie wird wohl die Stimmung des heimfahrenden Kämmerers gewesen sein? - Er war tief enttäuscht. Soviel hatte er sich von dieser Reise versprochen. Jahrelang hatte er sie in allen Einzelheiten vorbereitet... und bis er seine Chefin endlich soweit hatte, dass sie ihm dieses Jahr endlich solange Urlaub gab... und was ihn diese Reise alles kosten würde! - Und was war dabei herausgekommen? - Na gut, der Tempel in Jerusalem war ja ganz imposant, aber die Gottesdienste...? Er hatte den Eindruck, dass da sehr viel fromme Routine am Werk war. Dem großen Gott Israel war er dort jedenfalls nicht begegnet. Über die Sadduzäer hatte er sich richtig aufgeregt. Die glaubten ja scheinbar gar nichts mehr. Den Empfang, den sie ihm gegeben hatten, hätten sie sich auch sparen können. Die Pharisäer hatten ihn echt beeindruckt. Aber so fromm konnte er niemals werden. Und dann das barbarische Regiment der Römer. Ihm wurde noch richtig schlecht, wenn er daran dachte. Überall begegnete man gekreuzigten "Staatsfeinden", wie sie genannt wurden. Von Gott, der sein Volk beschützte, keine Spur.
Sein Fragen nach Gott war nicht beantwortet worden. Er musste sich eingestehen: Seinen Durst hatte all das nicht gelöscht! - Auch heute nehmen die Menschen um uns herum die eigenartigsten und bizarrsten Anstrengungen auf sich, um echtes Leben, Geborgenheit, Frieden und bleibendes Glück zu bekommen. Die einen versuchen es im Spiel, Drogen, Alkohol und Sex, die anderen mit Astrologie, Yoga, alternativer Ernährung, Wahrsagerei. Aber es ist so, als ob sie Salzwasser trinken: Sie werden immer durstiger!
Im Bibeltext wird uns an dieser Stelle ein Blick hinter die Kulissen des menschlichen Lebens gestattet. Gott wollte den Kämmerer nicht ohne gefunden zu haben wieder nach Hause fahren lassen. Gott war schon dabei, ihm jemanden zuzuführen, der ihn zur Quelle des Lebens, zu Jesus führen würde.
Welche Hebel setzte Gott in Bewegung, um den Kämmerer zu bekehren?
Er schickte Seinen Engel los. - Wozu? Evangelium zu verkündigen? Nein, Er berief Philippus von der Erweckung in Samarien weg. Von den Vielen weg zu dem Einzelnen.
Es war schön und wichtig, dass der Mann Gott suchte. Schöner und wichtiger aber war es, dass Gott ihn suchte und er sich finden ließ. Wie Gott diesen Minister damals freundlich "heim - suchte" (Römer 2,4), so will Er heute dich gewinnen. Und dir wird es gehen, wie jenem damals: Indem du dich von Jesus finden lässt, findest du, was du schon so lange suchtest! (Galater 4,9; Philipper 3,12)
2. Ein Fragender lässt sich unterweisen.
Apostelgeschichte 8,30-35
Wie kam es damals und kommt es noch heute normalerweise zu einer Begegnung mit Gott? - Eine Begegnung mit Gott ereignet sich in der Regel durch eine Begegnung mit Seinem Wort.
Der Minister hatte es offensichtlich begriffen. Um Gott zu begegnen, musste er sich wohl mit diesem alten, fremdartigen Text zu befassen. Gott hat es gefallen, Seine Gedanken über und Seine Absichten mit den Menschen darin bekannt zumachen. Will man sie erfahren, muss man sich schon die Mühe machen und in die Bibel hineinschauen. Schöpfen muss man da, wo die Quelle ist. Erfolgreich schöpfen kann man nur da, wo die Quelle ist. Diese Überzeugung hatte ihn zu der Pilgerreise veranlasst, das war der Grund seines Bibelstudiums. - Ist das auch der Grund deines Gottesdienstbesuches und deines Bibellesens? Dazu möchte ich dir Mut machen. Denn nur im Worte Gottes werden wir mit der Liebe Gottes zu uns bekanntgemacht.
Welche Haltung, Einstellung war bei Philippus nötig, um diesen Dienst erfolgreich tun zu können?
Kondition war nötig, um neben dem Wagen her zu rennen.
Genaues Hinhören war nötig, um mitzubekommen, was gelesen wurde.
Mut war nötig, um sich einzuschalten und zu fragen.
Entschlossenheit war nötig, um aufzusteigen.
Geduld war nötig. Er ließ den Kämmerer ausreden.
Einfühlsamkeit war nötig, um die richtigen Worte zu finden.
Demut war nötig, um als Lehrer akzeptiert zu werden.
Das damals übliche laute Lesen ließ den neben dem Wagen herlaufenden Philippus sofort erkennen, womit sich der Fremde beschäftigte. Und so stellte er eine wichtige und vor allem notwendige Frage: "Verstehst du auch, was du liest?" - Beim Christ-werden geht es in der Hauptsache nicht um fromme Gefühle, religiöse Meinungen, Zeremonien oder Traditionen, sondern um Tatsachen und um unsere Stellungnahme dazu. Die Fakten, um die es geht sind das stellvertretende Sühneleiden und -sterben Jesu Christi und seine Auferstehung. Unsere angemessene Stellungnahme besteht in der praktischen Anerkennung seiner Herrschaft. Diese Lebensübergabe an Jesus Christus bringt allein echte Freiheit von den das Leben beeinträchtigenden Faktoren mit sich. Jesus stillt den Durst eines jeden Menschen. Diese Zusammenhänge muss man zuerst einmal kennen und verstehen, bevor man sie dann entweder anerkennen oder ablehnen kann. Hierfür braucht man Anleitung von sachkundigen und hoffentlich liebevollen Helfern (Jüngerschaft).
Welche Haltung, Einstellung war beim Kämmerer nötig, um diesen Dienst anzunehmen?
Der Minister war mutig genug einzugestehen: "Wie könnte ich..?"
Der Minister war bereit, sich unterweisen zu lassen. Er war ja nicht aus philosophischem Interesse die 3000 km gereist.
Der Minister war geduldig genug, die Antworten im letzten Moment zu begrüßen.
Auf einmal begriff er: Dieser Jesus Christus hat so furchtbar sterben müssen, weil ich so furchtbar gelebt habe. Aber er stand von den Toten wieder auf, damit niemand mehr so bleiben muss, wie er ist. Nachdem der Kämmerer diese Liebe Jesu ansatzweise verstanden hatte, eroberte sie sein Herz und sein ganzes Leben. - Das Evangelium zeigt uns, dass dort die stärkste Liebe wächst, wo die meiste Vergebung in Anspruch genommen wird (Lukas 7,47b). Der Mensch, welcher an der Liebe Gottes achtlos vorübergeht, geht am Zorn Gottes zugrunde.
3. Ein Glaubender lässt sich taufen.
Apostelgeschichte 8,36-39
Was sollte uns an Vers 36 erstaunen? - Der Kämmerer bat um die Taufe. Nicht Philippus musste ihn fragen, ermahnen, drängen.
Was verdeutlicht diese Tatsache? - Die Verkündigung von Jesus (Vers 35) enthielt eine vollständige Unterweisung über das Thema „Taufe“ und bewirkte das Richtige und Gute. - Philippus fragte nach dem Glauben des Kämmerers. Wir dürfen und sollen auch danach fragen.
Der Minister wurde Christ, indem er sein ganzes Leben, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Jesus Christus anvertraute. Das ist eine Willensentscheidung, die Gott sehr ernst nimmt. Viele Leute hören heutzutage das Evangelium, beschäftigen sich sogar damit, kennen es von Kindesbeinen an, - sind aber keine Christen, weil sie Jesus niemals willentlich als ihren Retter und Herrn angenommen haben. Unser Verstand nimmt das Wort Gottes auf, aber unser Wille wählt den Gehorsam oder den Ungehorsam. Jeder trifft andauernd solche Willensentscheidungen. - Wir tun in der Regel, was wir tun wollen. Hast du Gottes Wort verstanden? Dann ist die entscheidende Frage: Willst IHM gehorchen? Willst du, was ER will?
Philippus hatte ihm das GANZE EVANGELIUM mitgeteilt und während sie noch die Reise fortsetzten, brachte der Kämmerer seinen Wunsch nach der Taufe zum Ausdruck. Wieso? Er wollte Jesus gern gehorchen! Weshalb? Weil er die Botschaft verstanden hatte und Gott liebte. Der Wille des Menschen ist nicht frei. Er ist an die Erkenntnis gebunden. Was das Herz nicht will, lässt der Kopf nicht ein. - Warum lässt du dich immer noch von diesem längst überfälligen Gehorsamsschritt abhalten? Alles, was uns vom Gehorsam Gott gegenüber zurückhalten will ist Sünde (Römer 14,23)! Willst du dich nicht als Antwort auf die erfahrene Liebe Gottes ebenfalls taufen lassen?
Der Minister wählte (mit seinem Willen) aufgrund seiner verstandesmäßigen Einsicht den Gehorsam: die Taufe! - Viele Christen haben heute zwar die Erkenntnis, dass die Taufe wichtig ist, aber es fehlt bei ihnen der willens-mäßige Entschluss und so fehlt das Wichtigste, - der Gehorsam!
Nach der Taufe heißt es von dem Äthiopier: "Er zog seinen Weg mit Freuden!" Freude ist stets die Folge von Gehorsam. Viele Menschen, auch viele Christen, wünschen sich echte, bleibende Freude. Aber den Weg dahin wollen sie nicht gehen, denn sie weigern sich, gehorsam zu sein. Viele warten auf schöne und erhebende Gefühle als Zeichen dafür, dass sie gehorsam sein sollen. Aber hier wird die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Nicht, weil ich so große "Lust" habe bin ich gehorsam (bete ich, lese ich die Bibel, gebe ich Zeugnis, besuche ich die Versammlungen, gebe ich den Zehnten), sondern weil es wichtig, notwendig und befohlen ist, tue ich es. Und dann stellt jeder Gehorsame überrascht fest: Freude stellt sich ein. Viele Christen sind Sklaven ihrer Gefühle, dabei sollten sie Diener ihres Herrn Jesus Christus sein. - Aufgrund des durch das Evangelium "richtig" geprägten Denkens entscheide dich für das "richtige Verhalten" und dann wirst du auch "richtige Gefühle" erleben. So war es damals, so ist es noch heute. - Wie es sinnvoll, logisch und zu erwarten ist, dass der Suchende sich finden und der Fragende sich unterweisen lässt, so ist es sinnvoll, logisch und zu erwarten, dass der Glaubende sich taufen lässt.
Manfred Herold