Geschwisterliche Verantwortung
Wenn Menschen krank sind und ihre Lebenskraft abnimmt, registrieren wir das in der Regel, setzen uns helfend für sie ein und beten für sie. Aber bemerken wir das langsame Abnehmen geistlichen Lebens bei unseren Geschwistern und tun wir etwas dagegen?
Hier entscheiden sich nicht nur Fragen nach der Lebensqualität hier und jetzt, sondern auch die Frage, wo diese Personen einmal die Ewigkeit zubringen werden. Müssen wir da nicht noch viel aufmerksamer werden und noch rechtzeitiger die nötigen Hilfsmaßnahmen einleiten? Oder ist leibliche Krankheit und physischer Tod für uns doch noch deutlich realer als der ewige Tod? Damit würden wir jedoch unseren Glauben an Jesus verleugnen.
Die wohl größte Herausforderung für Christen ist das verantwortungsbewusste, geschwisterliche Miteinander in der Gemeinde. Die Bibel gibt uns hierfür allerlei wichtige Hinweise. Hier einige davon:
1. Achtet aufeinander!
„..lasst uns aufeinander achtgeben, damit wir uns gegenseitig dazu anspornen, einander Liebe zu erweisen und Gutes zu tun.“ (Hebräer 10,24)
Es ist bezeichnend, dass der erstgeborene Mensch, als er vom Schöpfer nach seinem Bruder gefragt wurde („Wo ist dein Bruder Abel?“), antwortete: „Ich weiß nicht; Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ (1. Mose 4,9)
Das ist trotz aller Beteuerungen des Gegenteils bis heute die Grundeinstellung des natürlichen Menschen seinen Mitmenschen gegenüber geblieben.
Aber Menschen, die sich Vergebung und damit neues, vom Heiligen Geist bestimmtes Leben schenken ließen, erweisen ihre Liebe dadurch, dass sie fürsorglich Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen. - Weil uns der Geist Gottes dazu beauftragt und ermächtigt, deshalb achten wir aufeinander.
Ein weiterer Grund, weshalb wir aufeinander achten sollen besteht in der objektiven Notwendigkeit, durch die Wirksamkeit Satans in unserer Zeit und Welt.
„Seid besonnen, seid wachsam! Euer Feind, der Teufel, streift umher wie ein brüllender Löwe, immer auf der Suche nach einem ´Opfer`, das er verschlingen kann.“ (1. Petrus 5,8)
Angesichts dieser Gefahr soll jeder nicht nur auf sich selbst achten („Habe acht auf dich selbst ..“ 1. Timotheus 4,16), sondern auch auf seine Geschwister, um ihnen rechtzeitig zu Hilfe eilen zu können. Tun wir das?
Das kann missverstanden werden („Kümmere dich um deine Angelegenheiten! Lass mich in Ruhe! Spionierst du mir nach?“), hebt aber unsere Verantwortung nicht auf, hilfsbereit zu sein. Was der Betreffende dann mit diesem Hilfsangebot macht, ist seine Sache. Weil wir es mit einem gefährlichen Feind zu tun haben, achten wir aufeinander.
Weiter haben wir den Auftrag darauf zu achten, dass wir Mitchristen nicht unbeabsichtigt zur Sünde verführen. („Gebt aber acht, dass nicht eure Freiheit, die Schwachen in der Gemeinde zu Fall bringt!“ 1. Korinther 8,9)
Für uns mag eine Sache keine Sünde sein. Aber sie könnte einen Mitchristen dazu verführen, etwas zu tun, was über seine geistliche Kraft geht. Diese Aufforderung macht große Nähe zueinander nötig. (Chance und Gefahr) Auf der anderen Seite bin ich, wenn ich etwas Richtiges unterlasse, weil Menschen verständnislos reagieren, ein Menschenknecht. Weil wir selbst, ohne es zu wollen, einen Mitchristen zur Sünde verführen könnten, achten wir auf uns und aufeinander.
Gottes Wort sagt eindeutig (Hebräer 10,24), dass die Notwendigkeit besteht, uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Werken anzureizen. Das bedeutet, dass eben nicht jeder von uns immer allein darauf kommt, in rechter Weise zu lieben und das Richtige zu tun. Wir brauchen den Anstoß, den Anreiz, den Hinweis durch unseren Bruder/Schwester. Wer meint, das nicht nötig zu haben, der ist stolz und überheblich und deshalb doppelt gefährdet. Weil wir den Ansporn durch unsere Geschwister nötig haben, achten wir aufeinander.
„Achtet darauf, dass niemand sich selbst von Gottes Gnade ausschließt! Lasst nicht zu, dass aus einer bitteren Wurzel eine Giftpflanze hervorwächst, die Unheil anrichtet; sonst wird am Ende noch die ganze Gemeinde in Mitleidenschaft gezogen.“ (Hebräer 12,15)
Der Feind legt es besonders darauf an, Christen mit Ketten der Bitterkeit und des Grolls zu fesseln. Hier sind wir als Geschwister besonders herausgefordert, darauf zu achten, d.h. dafür zu sorgen (so der Text), dass nicht jemand aus der Gnade fällt, z.B. weil er die Vergebung anderen verweigert, obwohl er sie doch selbst täglich nötig hat (Matthäus 6,12). Welch eine verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe. Weil viele Christen wegen ihrer Bitterkeit schmerzlichen Mangel leiden, deshalb achten wir aufeinander.
„Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmt euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle!“ (1. Thessalonicher 5,14)
2. Betet füreinander!
Jesus sagte zu Petrus in Lukas 22,32: „Ich aber habe für dich gebetet, dass du deinen Glauben nicht verlierst!“
Wir Christen neigen dazu, weil wir die biblischen Berichte von ihrem Ausgang her kennen, biblische Figuren voreingenommen zu betrachten. So waren diese Worte für mich lange Zeit nichts besonderes.
Doch eines Tages wurde mir klar: Wenn es Jesus schon für nötig hielt, für einen Petrus zu beten, dass er seinen Glauben nicht verliere, wie viel mehr haben wir es nötig, füreinander zu beten. Wir sollten es nicht besser wissen wollen als Jesus und eifrig füreinander beten. Denn, wenn es ein Petrus nötig hatte, dass für ihn gebetet wurde, wer hat es dann heute nicht nötig, dass für ihn gebetet wird?
Es ist unter uns (hoffentlich noch) üblich, dafür zu beten, dass dieser und jener zum Glauben an Jesus Christus kommt und die Wiedergeburt erlebt. Aber wer betet dafür, dass der Glaube dieser Schwester und jenes Bruders, die vielleicht gerade schwere Zeiten durchmachen müssen, nicht nachlässt, nicht ausgeht, nicht erlöscht oder aufhört?
Du hast lange Zeit ernsthaft dafür gebetet, dass dein Mann/Frau/Freund/Kollege zum Glauben kommt. Nun ist das vielleicht bereits längere Zeit Wirklichkeit. Betest du jetzt auch noch dafür, dass sein/ihr Glaube nicht aufhört? Denn wir sind alle noch nicht am Ziel. Wir sind alle noch mancherlei Gefahren und Anfechtungen ausgeliefert, die wir allein auf uns gestellt niemals bestehen können. - Wie viele ehemalige Christen haben letztlich deshalb ihren Glauben verloren, weil niemand anhaltend für den Erhalt ihres Glaubens gebetet hat?
Bereits vor vielen Jahren sagte Billy Graham: „Es werden nur 5% Kraft und Einsatz benötigt, um einen Menschen zu Jesus zu führen, aber 95%, um ihn bei Jesus zu halten.“ Ziehen wir daraus die nötigen Konsequenzen und bemühen wir uns genug um die Menschen, die Jesus zu sich in seine Gemeinde gerufen hat? Achten wir aufeinander? Beten wir füreinander? - Von Jesus heißt es:
„Daher kann Er auch allen, die durch Ihn zu Gott kommen, eine volle Errettung vermitteln: Er lebt ja immer, um allezeit fürbittend für sie einzutreten.“ (Hebräer 7,25)
Wenn Jesus es für dringend geboten hält, für Seine Glieder auf dieser Erde fürbittend beim Vater einzutreten - wie können wir dann behaupten, Jesu Nachfolger zu sein, wenn wir nicht füreinander beten? - Wenn Jesus nichts besseres zu tun hat, als für uns zu beten, wie können wir uns dann einbilden, Gebetszeit sei verschwendete Zeit?
Weshalb sollen wir beten? Weil allein Gott die Herzen lenken kann. Weil allein Gott Menschen zur Umkehr bewegen kann. Weil allein Gott die nötigen Einsichten schenken kann. Gebet ändert unsere Einstellung zu den Menschen, die uns das Leben schwer machen (Matthäus 5,44; Lukas 23,34). Wo gebetet wird, da öffnen sich Türen, die sonst kein Mensch zu öffnen vermag. Wir beten füreinander, weil wir es nötig haben.
3. Bringt einander zurecht!
„Geschwister, wenn sich jemand zu einem Fehltritt verleiten lässt, so bringt ihr Geistesmenschen, ihn voll Nachsicht wieder zurecht...“ (Galater 6,1)
Wo sind in unserer Gemeinde die „Geistesmenschen“, d.h. die Geschwister, die sich in ihrem ganz normalen Leben vom Heiligen Geist leiten lassen, die in ihrer Jesus-beziehung wachsen und reif werden, die ihren Platz in der Gemeinde gefunden und eingenommen haben, die in der Gemeinde anwesend und aktiv sind? Es geht hier nicht um perfekte Heilige, sondern um Menschen die sich stets und ständig auf das Wirken des Heiligen Geist angewiesen wissen und dankbar Seine Anregungen aufnehmen und sie dort anbringen, wo es nötig ist.
Geistliche Menschen sind solche, die mit den Sünden anderer jesusgemäß umzugehen gelernt haben, die sie weder verharmlosen, noch dramatisieren, weder ausplaudern, noch sich darüber aufregen, - sondern die sie an Jesus abgeben, der sie alle bereits gesühnt hat. Solche Christen können anderen zurecht-helfen, indem sie z.B. darauf hinweisen, dass Sünde nicht verschwiegen werden darf (Sprüche 28,13), denn sie löst sich nicht irgendwann von selbst auf, sondern sie soll Jesus und manchmal auch Menschen bekannt werden (1. Johannes 1,9).
Jesus gibt uns im Evangelium ganz eindeutige Hinweise, wie das Zurechtbringen praktisch aussehen könnte:
„Sündigt dein Bruder, so gehe hin und sprich mit ihm darüber unter vier Augen! Hört er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“ (Matthäus 18,15)
Hier wird nicht davon gesprochen, dass der in Frage stehende Bruder/die Schwester dir etwas getan haben muss, sondern allgemein, dass du Sünde im Leben deines Bruders/Schwester bemerkst. Du sollst nicht Detektiv spielen, nachforschen, das Haar in der Suppe suchen und dann auch finden. Es wird einfach festgestellt: „Sündigt dein Bruder/Schwester...“ Ich bin also für das verantwortlich, was ich weiß, was mir zur Kenntnis gelangt ist.
Nun stellen sich natürlich Fragen wie: „Für wie gefährlich hältst du die Sünde?“ Machst du noch Unterschiede zwischen schlimmen und weniger schlimmen Sünden? Wie kommst du darauf, dass es diese Unterschiede gibt? Nur wenn du die Sünde so ernst beurteilst wie Gott sie beurteilt, wirst du die Unannehmlichkeiten solcher Gespräche auf dich nehmen; wie Jesus die Unannehmlichkeiten Seiner Menschwerdung, Seines Leidens und Sterbens nur deshalb auf Sich nahm, weil Er den wahren Charakter der Sünde als Majestätsbeleidigung Gottes kannte.
„Meine Geschwister! Wenn jemand einen unter euch, der sich von der Wahrheit abwendet und auf einen Irrweg gerät, wieder auf den richtigen Weg zurückführt, soll er wissen: Wer einen Sünder von seinem Irrweg zurückholt, wird dessen Seele vor dem Tod retten und bewirken, dass diesem Menschen die vielen Sünden, die er begangen hat, vergeben werden.“ (Jakobus 5,19-20)
Wir alle können von der Wahrheit abirren. Deshalb müssen wir uns darauf verlassen können, dass sich kein Gemeindeglied achselzuckend abwendet, wenn er das bei uns sieht oder hört. Wir haben den Auftrag und die Möglichkeit, einander auf den rechten Weg zurückzuführen. Hier wird klar ausgesprochen, was dranhängen könnte: Eine Seele vom Tode zu retten! Wir sind alle äußerst gefährdet. Bleiben wir wachsam!
In Hesekiel 3,20 werden wir gewarnt: „Wenn einer, der Mir gedient hat, sich von Mir abwendet und Unrecht tut, und du warnst ihn nicht, werde Ich ihn zu Fall bringen: er muss sterben. Ja, wegen seiner Sünde wird er umkommen, und das Gute, das er zuvor getan hat, wird vergessen sein. Dich aber werde Ich für seinen Tod zur Rechenschaft ziehen.“ (Hesekiel 3,20)
Also:
-- Achtet aufeinander!
-- Betet füreinander!
– Bringt einander zurecht!
Der Heilige Geist befähigt dich dazu! Amen
Manfred Herold